Für einen Frieden in Freiheit eintreten: Zum Zusammenleben von Christen und Muslimen heute
Das vorliegende „Gedankenfragment“ entstand in einer ersten Fassung anlässlich des zweiten Begegnungsabends zwischen Christen und Muslimen im Kirchenkreis An der Agger am 08.09.2016 im Kirchsaal der Kirchengemeinde Marienheide. Es konnte dort aus Zeitgründen nicht vorgetragen werden. Im Folgenden liegt eine überarbeitete Fassung dieses am 11.03.2017 erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellten Fragments im Kreiskirchenamt in Dieringhausen vor, die versucht, auch aktuelle Herausforderungen aufzunehmen und in die Friedensfrage zu integrieren. Die hier in aller Kürze dargelegte Argumentation erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie will aber zum Gespräch anregen. Als Synodalbeauftragter für das christlich-islamische Gespräch im Kirchenkreis An der Agger und als Mitglied im Sprecherkreis der Synodalbeauftragtenkonferenz der EKiR liegt mir die kontroverse Auseinandersetzung besonders am Herzen und soll hiermit einen ersten Anstoß erfahren.
(1.) Herausforderungen annehmen
Das Gespräch zwischen Vertretern der christlichen Kirchen – hier: den Synodalbeauftragten und allen am interreligiösen Dialog Interessierten – und den Vertretern der unterschiedlichen islamischen Moscheegemeinden ist angesichts der politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart auf eine harte Probe gestellt. Nichtsdestotrotz ist das Gespräch unerlässlich, ja, es ist alternativlos, wenn es wirklich um das Zusammen- und nicht etwa um ein Nebeneinanderherleben von Christen und Muslimen gehen soll. Vor allem an der Frage des Verhältnisses von Religion und Politik entzünden sich immer wieder Kontroversen, die die Friedensfrage besonders berühren und im Folgenden kurz behandelt werden sollen.
(2.) Wege zu Frieden und Freiheit beschreiten
Wir leben gegenwärtig in Zeiten eines zunehmenden Nationalismus – in Europa ebenso wie in den USA –, Antisemitismus – eine Schande, dass er gerade in Deutschland wiederauflebt – und Militarismus. Darin kündigt sich eine neue Ära des Ideologischen an. Die damit einhergehenden politischen, sozialen und theologischen Gefährdungen tangieren Christen und Muslime gleichermaßen. Politik und Religion, Einzelne wie auch die Gesellschaft leiden unter der schleichenden und fortschreitenden Freiheitsberaubung durch nationale Egoismen, autoritäres Gehabe und mediale Propaganda, die ein Freund-Feind-Denken stark macht und damit Wege in Frieden und Freiheit versperrt. Die wichtigste Voraussetzung für eine Wiedergewinnung der Freiheit im privaten wie im öffentlichen Bereich und damit auch des friedensstiftenden Miteinanders zwischen Christen und Muslimen besteht darin, neu offen zu werden für den lebendigen Gott und sein Wort und sodann und gerade darum für den Nächsten, der uns von Gott an die Seite gestellt ist und in der uns Gottes Antlitz begegnet. Angesichts der verführerischen Schwarz-Weiß-Malerei in Politik und Medien ist es wichtig, dass wir lernen, differenziert auf die globalisierte Weltgesellschaft zu schauen und unseren Platz in ihr zu finden. Frieden und Freiheit sind die Grundvoraussetzungen echten Zusammlebens und wirksame Gegenmittel gegen die diffusen Ängste unserer Zeit.
(3.) Gottes Friedenswirklichkeit bekennen
Platzanweisung erfahren Muslime und Christen durch den Gott, der uns dazu berufen hat, seinem Namen allein die Ehre zu geben, indem Nächstenliebe geübt wird. Durch Gott ergeht an Christen und Muslime eine Inanspruchnahme, die sie in Dienst für die Geschöpfe und für die Schöpfung nimmt und damit für die Gesellschaft und für politische Verantwortung. Dieser Verantwortung kommen wir am besten gemeinsam nach und zwar so, dass wir in regelmäßigen Begegnungen miteinander auf die eine Wirklichkeit Gottes aus verschiedenen Perspektiven schauen und Schritte zur interreligiösen Verständigung gehen: dazu gehört nach vor allem eine theologisch fundierte Gesellschafts- und Ideologiekritik. Der Dialog bietet die Möglichkeit, dass es zu einer immer neuen und immer tieferen Begegnung kommt. Das „Sein in der Begegnung“ (Dominik A. Becker) wehrt den sozialen Spaltungstendenzen und der Fragmentarisierung. Wo die Friedenswirklichkeit Gottes erfahren und zwar reflektiert erfahren wird, da kann es nicht nur zu effektiver Ideologiekritik kommen, sondern auch und gleichermaßen zu einem Bekenntnis zur Gewaltfreiheit. Diese ist eng verbunden, das zeigt die schuldbeladene Geschichte des Christentums, mit aufrichtiger Umkehr. Der eine Gott selbst ist der Überwinder dieser kollektiven wie individuellen Schuldgeschichten. Wo die Friedenswirklichkeit Gottes er-, be und anerkannt wird, da können sowohl Schuldgeschichten als auch Freiheitserfahrungen kritisch zusammengeschaut und Lernprozesse angestoßen werden.
Danke